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Ob ich nicht aber im Grunde vielleicht, ohne das selber zu
wissen, doch eigentlich selber ein – Kommunist sei, fragt mich jemand und meint,
ich müßte darüber umfallen vor Schreck. Er sieht mich ratlos an, als ich antworte:
Kommunist? Hoffentlich! Schon weil mich ja verlangt, ein katholischer Christ zu
sein, und womöglich noch von der Franziskaner Art. Was, wenn das mißbrauchte Wort
überhaupt einen Sinn haben soll, ist denn ein Kommunist? Man wird in dem
Augenblick dazu, wo einem unversehens eines Tages, während man sich das Essen
schmecken läßt, einfällt, daß zur selben Zeit andere hungert. Ist der Einfall so
stark, daß einem nun das Essen auf einmal nicht mehr schmeckt, ja bald auch die
warme Kleidung, die liebe Wohnung nicht mehr, solange man andere hungern und
frieren und durch die Nacht streifen weiß, und steigert sich dies bis zum
Selbstvorwurf, zum Gefühl, als wäre man dadurch, daß man selber schmaust, am
Hunger der anderen schuld, als nähme man, was man selber hat, damit anderen weg,
ja steigert es sich durch wachsende Scham bis zum Entschluß oder doch, bei der
Armseligkeit unseres Willens, wenigstens zum frommen Wunsch, alles herzugeben,
alles den Armen hinzugeben und selber arm zu werden, um dadurch, daß man das Leid
der Armut auf sich nimmt, gutzumachen, was an Leid in der Welt man durch Reichtum
verschuldet hat, dann ist der Kommunist komplett. Einen ganz kompletten hat es
freilich bisher nur einmal gegeben: den heiligen Franziskus, Pater Heribert
Holzapfel, der beredte, so viele Bekehrungen wirkende Münchener Franziskaner, dem
auch ich es verdanke, daß meine Seele geheilt ist, hat jüngst (in einem Aufsatz
über »Die Bedeutung des heiligen Franz von Assisi für die Gegenwart«, im
»Jahrbuch« des »Verbandes der Vereine katholischer Akademiker zur Pflege der
katholischen Weltanschauung«, 1919, bei L. Schwann, Düsseldorf; das Jahrbuch
enthält noch einen anderen Aufsatz von höchster Bedeutung, den des Abts Ildefons
Herwegen über »Die Erneuerung unseres religiösen Innenlebens aus dem Geist der
Liturgie«) den Kommunismus des heiligen Franz im vollen Sternenglanz seiner
unschuldigen, fast kindlichen, herzensheiteren Erhabenheit gezeigt: »Er war ein
ganzer Christ, ein radikaler Christ, der sich nicht jeden Schritt und Tritt auf
Kompromisse einließ, der vielmehr mit unerbittlicher Strenge durchführte, was er
glaubte, was er im Evangelium las. Mit dem ganzen Heroismus seines Wesens lebte er
dem christlichen Volke das Evangelium vor in aller Einfachheit und Reinheit, indem
er so treu wie nur möglich in die Fußstapfen seines Heilandes trat, indem er
gleich ihm ein Leben höchster Armut und Entsagung führte... Als Armer, als
freiwillig Armer, als fröhlicher Armer trat Franziskus vor das arme Volk hin.
Daher sein großer Einfluß. In gleicher Weise verlangte er von seinen Anhängern,
daß sie arm würden und in Gemeinsamkeit ein armes Leben führten. Franz war also
Anhänger des Kommunismus. Aber der Kommunismus war ihm ein hohes, heiliges Ideal,
und zu Idealen kann man niemand zwingen. Darum führte er den Kommunismus ein nur
für jene, die sich ihm freiwillig anschlossen.« Hätten wir doch mehr von jenem
heroischen Christentum, sammelten sich doch die »radikalen« Christen endlich,
kämen doch auch jene herbei, die es nur noch nicht wissen, daß sie tief im Herzen
ja Franziskaner sind, die nur ihre eigenen inneren Stimmen noch immer nicht
verstehen, den Ruf ihrer Sehnsucht, Bettler zu sein, und machten wir uns doch von
unserer Qual los, machten wir uns doch endlich frei, in Wahrheit frei, alles
hergebend, nichts für uns behaltend als das eine, was allein uns nottut: die Liebe
Gottes, machten wir doch endlich ernst mit dem Kommunismus!... Kommunist ist
jeder, der lieber alles Eigene selber hergibt, um sich nur nicht länger von dem
Gefühl quälen zu lassen, daß er damit einem anderen etwas wegnimmt. Kommunist wird
man, sobald man das Gefühl hat dadurch, daß es einem selber gut geht, irgendwie
geheimnisvoll mit an allem Bösen in der Welt schuld zu sein. Kommunist wird man
durch das erlangen nach Leid, dem sündentilgenden Leid. Das ist die »Teilung«, die
der Kommunist fordert: er will das Weltleid teilen, jeder will seinen Anteil am
Leid haben, jeder einen möglichst großen. So wird dann auch der Reichtum
»abgeschafft«, automatisch, weil ja jeder Kommunist nur den Wunsch hat, arm zu
sein. Wenn aber jetzt Leute, die, statt alles Eigene herzugeben, von sich
wegzugeben, vielmehr umgekehrt anderen was wegnehmen wollen, dies Kommunismus
nennen, das ist ein kleines Mißverständnis. Warum jedoch, weil unter diesem Namen
dilettantisch allerhand Unfug getrieben wird, ich leugnen soll, Kommunist zu sein,
seh ich nicht ein ... Kommunist sagt nicht: Gib mir dein Geld! Kommunist sagt:
Nimm mein Geld! Dazu gehört aber zunächst, daß man eins hat. Kommunismus kann nur
von den Reichen kommen. Franziskus war eines mächtigen Kaufherrn Sohn. Kommunismus
ist eine Selbstüberwindung. Er setzt Reiche, die es im Reichtum nicht mehr
aushalten, er setzt Mächtige, die es in der Macht nicht mehr aushalten, voraus.
Arme sind meistens dem Kommunismus totfeind: sie wünschen sich ja noch reich zu
werden. Dem Kommunismus fehlt noch immer sein Mirabeau. | |