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Es gibt lustige Possen, wo bei geteilter Bühne zu ebener Erde
und im ersten Stocke zugleich gespielt wird. Da ist es denn sehr vergnüglich,
nebeneinander gleichzeitig zwei Handlungen zu schauen, die nichts gemein haben und
von einander nichts wissen, bis sie sich dann am Ende doch irgendwie miteinander
zu einem heiteren Durcheinander verschlingen. Daran muß ich immer denken, so oft
ich meine Neugierde wieder einmal in das Münchener Treiben tauche: da sind auch
zwei Welten übereinander geschichtet, ja ineinander geschoben, deren
Nachbarschaft wie ein toller Einfall eines ausgelassenen Springteufels erscheint
und – merkwürdig – am Ende, wenn’s auch mitunter allerhand Krakehl setzt,
vertragen sie [sich] doch ganz gut. Es sind nicht bald irgendwo auf so engem Raume
so viele geistreiche, kunstbegabte Hellköpfe und so viele niederträchtig
versumpfte Dunkelseelen – »Nudelmeier« heißt man diese niedrigste Species des
deutschen Philisters jetzt hier mit einem melodischem Namen – beisammen: sie
können einander nicht ausstehen und eines möchte das andere je eher je lieber
unter das Gras beißen, aber zuletzt im Hofbräuhause saufen sie doch ganz
verträglich mitsammen. So kann man hier immer den neuesten Kunsttrieb und den
ältesten Stumpfsinn der Deutschen nebeneinader studieren und, nachdem man ein
Stündchen mit einem der verwegensten Neuerer der Litteratur geplaudert, in einer
Gesellschaft ausruhen, für die die Buchdruckerkunst vergeblich erfunden
wurde. |